Einleitung
Das grosse Publikum hat gewöhnlich für einzelne Vorgänge in der Geschichte, wenn sie nicht eine durch Blut und Kriegsgeschrei hervorragende Epoche darstellen, wenig Interesse, selbst dann nicht, wenn die Ereignisse in das soziale Leben einstens stark eingegriffen haben und als einen Ausgangspunkt für manche Errungenschaften der Neuzeit betrachtet werden müssen. Dem Geschichtsforscher jedoch, der die Geschicke der Völker nicht nur recht oft durch Zufälligkeiten, sondern sehr oft durch ganz unvorhergesehene, in ihrer Wirkung auf die Menschheit anfangs unterschätzte Ereignisse, beeinflusst sieht, haben gerade Geschichtsvorgänge besonderes Interesse, die die Grundlagen späterer Entwicklung in sich tragen. Ohne der Gründung und Verfolgung des Illuminatenordens nun eine übertriebene Bedeutung beimessen zu wollen, ist doch erwiesen, dass in dem Kampfe, den die Zopfzeit mit der erwachenden, modernen Kulturepoche auszufechten hatte, die seiner Zeit in Bayern in ihrem Gesamtbilde recht unerfreuliche Verfolgung der Illuminaten eine Rolle spielte, die von der Geschichte bleibend aufgezeichnet ist als ein Markstein für den Beginn der Erschütterung des absoluten Herrscherregiments, des Niederganges einer Zeit, in der das stolze Wort: „Regis voluntas suprema lex“ noch unumschränkte, selbst das Recht beugende Gewalt besass.
Weil aber jene Zeit der Erschütterung des willkürlichen Regimentes als ein solcher Markstein in der weiteren Zeitenfolge bezeichnet wurde, so konnte sich die Beschuldigung, „der Illuminatenorden habe diese von vornherein beabsichtigt, er sei begründet worden, um die Fürsten von den Thronen zu stürzen, habe die französische Revolution verschuldet, sei in seinen Lehren höchst staats- und religionsgefährlich, vernichte die Moral des einzelnen und des Volkes, und dergleichen Unsinn mehr (Beschuldigungen, die heutzutage den Freimaurern noch vielfach nachgesagt werden)“ sehr lange erhalten, während in Wahrheit nichts von alledem nachzuweisen ist. Die Begründung des Illuminatenordens durch den Professor Adam Weishaupt hatte bezüglich ihrer späteren Wirkungen gänzlich unbeabsichtigte Erfolge; niemals hat er daran gedacht, politisch tätig sein zu wollen, wohl aber hatte er beabsichtigt, der Geistesentwicklung des Einzelnen im Orden eine feste Burg zu schaffen; nie hatte er geglaubt, dass sein Orden jemals einer Verfolgung ausgesetzt sein könnte. Wenn letzteres dennoch eintrat, so lagen die Fäden denn doch auf anderer Seite, als vielfach vermutet wurde. Es kommen verschiedene Dinge zusammen, welche eine Verfolgung veranlassten, und würden diejenigen Personen, die eine Wühlarbeit im Interesse der Unterdrückung des allgemeinen, freien Geisteslichtes verrichteten, heute überblicken können, was aus dieser in Bayern und Deutschland allerdings viel Lärm verursachenden Verfolgung entstanden ist, zum Wohle der Allgemeinheit, sie würden entsetzt erkennen, wie das Wort Mephistos auch auf sie passt:
“Ich hin ein Teil von jener Kraft,
Die stets das Böse will und stets das Gute schafft.”
Wir werden uns im weiteren damit zu beschäftigen haben, die Fäden blosszulegen. Sie sind im Laufe der Zeit kein Geheimnis geblieben, und deswegen sind auch Beschönigungsversuche mancher Art vorgenommen worden, die infolge ihrer Tendenz, zwar nicht schroff, so doch deutlich durchblicken liessen, dass Weishaupt ein mindestens zweifelhafter, moralisch nicht reiner Charakter gewesen sei, der Illuminatenorden staatsgefährliche Umtriebe, böse, nur den geheimen Obern bekannte Absichten verfolgt habe und dass deswegen die Verfolgung immerhin gerechtfertigt gewesen. – Im Laufe unserer Auseinandersetzungen werden wir an der Hand teils noch gänzlich unbekannter, teils bisher in ihrem Wortlaute noch nicht veröffentlichter Dokumente nachweisen, was davon übrig bleibt.
Wir gestehen an dieser Stelle offen ein, dass der jetzige Illuminatenorden, eingetragener Verein zu Dresden, in der unanfechtbaren, geschichtlichen Darstellung seiner Vorfahren, auch das beste Verteidigungswerk für Angriffe auf seine jetzige Tendenz erblickt. Solche Angriffe erlaubt man sich bereits in unzweideutigster Form, unter Benutzung alter Werke aus den Jahren 1784 – 1788. Man stellt aus diesen sehr leicht ein verzerrtes Bild des damaligen Ordens zusammen; durch Aneinanderreihen möglichst schroffer Stellen, die aus ihrem Zusammenbange gerissen werden, und dadurch ganz anderen, unbeabsichtigten Sinn ergeben, wird es immer spottleicht sein, alles zu beweisen, was man bewiesen haben will. Dieses allbekannte Rezept findet sich z. B. in einem allerneuesten Gebräu *) literarischer Taschenspielerkunst vortrefflich angewandt, segelt unter dem edlen Vergeben der Volksaufklärung in die Welt hinaus, und der oder die Verfasser sind sicher, dass naivere und urteilslose Leser, angegrault von den Verführungskünsten und dem angeblich schändlichen Treiben des alten Ordens, den neuen Orden ebenfalls nicht anders beurteilen werden. Der neue Orden ist leider juridische Person und dürfte offenkundige Verdrehungen als Verleumdungen zu strafen wissen – folglich greift man am sichersten für das eigene Heil den historischen Orden an, indem man sicher ist, dass von allen diesen Verleumdungen am jetzigen auch etwas kleben bleiben wird.
*) “Volksaufklärung”, kleine Handbibliothek zur Lehr und Wehr für Freunde der Wahrheit Nr. 49/50. Der Illuminatenorden v. Dr. jur. Krueckemeyer. Verlag von A. Opitz in Warnsdorf, Böhmen.
Dem heutigen Illuminatenorden, der seine Existenz doch nun einmal aus den Restbeständen alter Zeit nicht ableugnen kann, dazu auch gar keine Ursache hat, könnte es im Grunde genommen höchst gleichgültig sein, ob die längst verflossene historische Periode vorwurfsfrei gewesen oder nicht, er hat lediglich für sich selbst einzustehen und darauf zu achten, dass er jetzt vorwurfsfrei ist; aber es verlangt das Interesse an dem Ursprung, sowie die Gerechtigkeit, dass bestehendes Falsches ausgeschieden und die Wahrheit festgestellt wird, falls dieses möglich ist. Und das ist möglich, wenn das Geheime Staatsarchiv, sowie das Geheime Hausarchiv in München, sowie andere Staats- und Privatarchive vorurteilsfrei herangezogen werden. In diesen Archiven (Berlin, Dresden, Wien, Gotha, Paris) befinden sich diejenigen Urkunden, Briefe, Schriften und Protokolle, welche, wenn nicht einseitig beurteilt und ausgelegt, gerecht wohl imstande sind, ein klares Bild zu geben. Leider wurde bisher nicht völlig einwandsfrei diese Arbeit geleistet, entweder waren es Teilarbeiten oder Nichtkenntnis mancher vergrabener Licht gebender Urkunde oder auch Rücksichten, welche die Verfasser zwangen, gewisse Dinge mit einem Mäntelchen zu behängen, wodurch volle Klarheit über diese Zeitperiode bis heutigen Tages nicht gegeben ist. Wir wollen versuchen, ohne alle Beschönigung, aber auch ohne alle Bedenken, eine Darstellung der Dinge zu geben und suchen zunächst nach einem roten Leitfaden, der uns auf den vielfach verworrenen Irrwegen zum Führer dienen kenn. – Wo ist dieser Leitfaden zu finden?
In den üblichen Anklagen heisst es, weil der Orden staats- und religionsfeindlich gewesen sei, habe Staat und Kirche ein Interesse gehabt, ihn zu vernichten. Wir werden uns folglich zum näheren Verständnis zuerst umsehen müssen, ob diese beiden notgedrungen Gegner werden mussten bezw. waren, und warum sie es waren. Wollen wir jedoch richtig urteilen, so müssen wir uns über die Zustände in Bayern zuerst orientieren, wie das Land zur Zeit der Gründung des Ordens aussah; wir werden uns in die Denkweise jener Zeit zu versetzen haben, die jedenfalls der unseren nicht gleich gewesen ist, andernfalls würden wir falsche Schlüsse ziehen.
Damit nun niemand glauben kann, diese vom heutigen Orden begutachtete Schrift sei tendenziös zugestutzt, möge ein Nichtilluminat, der Professor August Kluckhohn zur Sprache kommen, der 1874 in der Allgemeinen Zeitung längere Aufsätze über: Die Illuminaten und die Aufklärung in Bayern unter Karl Theodor veröffentlichte und in der Einleitung über die Zustände in Bayern folgendes sagt:
„Kurfürst Maximilian III., gewöhnlich Max Joseph genannt, welcher am vorletzten Tage des Jahres 1777 starb, wurde als einer der besten Fürsten Bayerns lang und aufrichtig betrauert. Dankbar erkannte man seine Herzensgüte, seine Liebe zu dem Volke und seine ernste Sorge für dessen Wohlfahrt an. Die Denkenden und Weiterblickenden wussten noch Besseres von ihm zu rühmen. Sie priesen es als ein bleibendes Verdienst des aufgeklärten Fürsten, dass das geistige Leben Bayerns nach langer Verkümmerung und Versumpfung einen neuen Aufschwung genommen, dass die Übermacht des Klerus eingeschränkt, das entartete Mönchtum in seinen Auswüchsen beschnitten und eine bessere Erziehung des sittlich verwahrlosten, in Aberglauben und Unwissenheit dahinlebenden Volkes, wenigstens angebahnt war. Hatten ja schon vor der Aufhebung des mächtigen und gefürchteten Ordens der Jesuiten, welcher seit zwei Jahrhunderten jeden frischen Geistestrieb im Keime zu ersticken und Bayern gegen jede Berührung mit dem protestantischen Deutschland abzusperren gewusst hatte, wackere Männer es unternommen, erst in der Stille, dann laut und öffentlich mit Wort und Schrift gegen Priesterdruck und Möncheswahn zu streiten. Die den Jesuiten zum Trotz in der Hauptstadt des Landes 1759 gegründete Akademie der Wissenschaften bildete den Vereinigungspunkt für die Vorkämpfer einer vernünftigen Aufklärung. Heilsame Anregungen gingen von hier aus auf weitere Kreise über. Die schlummernden Geister wurden geweckt, und die frischen, kräftigen Triebe, welche dem bayrischen Volksstamme entkeimten, belehrten auch die Zweifler, dass jahrhundertelanger Druck, bei Mangel an Luft und Licht, wohl jenen gebeugt und im Wachstum gehemmt, nicht aber, dank seiner unverwüstlichen Kraft, ihn gebrochen und der Verdorrung preisgegeben habe.
Was die Hoffnung der Freunde des Volkes befestigte, war namentlich die Verbesserung des Unterrichtswesens, woran Männer wie lckstatt, Braun und andere mit ausdauerndem Mut und liebevoller Hingebung arbeiteten. Hatten die Jesuiten einst schon im 16. Jahrhundert das in seinen Anfängen bestandene Volksschulwesen systematisch untergraben, so wurde jetzt, namentlich unter Brauns tätiger Teilnahme, die Neubegründung desselben versucht, und die nicht minder notwendige Reform des Gymnasialunterrichtes, der den Jesuiten nur als Mittel, die Geister zu knechten, gedient hatte, wenigstens seit der Zeit mit Aussicht auf Erfolg in Angriff genommen, als durch das Breve des Papstes Clemens XIV. vom 21. Juli 1773 die Auflösung des Ordens Jesu ausgesprochen war. Das sehr bedeutende Vermögen der Gesellschaft, von der kurfürstlichen Regierung jetzt ganz für Bildungszwecke bestimmt, schien hinlängliche Mittel für einen systematischen, allen Bedürfnissen genügenden Neubau des Unterrichtswesens zu bieten. Der greise lckstatt vor allen ging dabei von den höchsten Gesichtspunkten aus. Grosse Pläne wurden entworfen, Gutachten über Gutachten eingeholt, bis im Jahre 1774 auch glücklich eine Schulordnung zustande kam, von der man das beste hätte erwarten können, wenn sie tatkräftig aller Hindernisse ungeachtet, wäre durchgeführt worden. Die Hindernisse freilich, welche einer tiefgreifenden Unterrichtsform sich entgegenstellten, waren belangreich genug. Es fehlte für die mittleren wie für die niederen Schulen an allen auch nur notdürftig vorbereiteten Lehrern, so dass man, was doch ein gar bedenkliches Auskunftsmittel war, für die Gymnasien, um sie nicht verwaist zu lassen, wieder zu den Mitgliedern des aufgelösten Ordens greifen musste. Es fehlte ferner der Regierung an eifrigen, pflichttreuen und einsichtigen Verwaltungsorganen, um die Durchführung der Schuleinrichtungen, dem Widerstand des bildungsfeindlichen Klerus und der trägen, vorurteilsvollen Masse des Volkes zum Trotz, zu erzwingen. – Es fehlte endlich an den leitenden Kreisen, auch unter den Männern, welche das Gute wollten, vielfach die ernste Ausdauer und noch mehr die wünschenswerte Eintracht. Jeder wollte neue Pläne entwerfen, neue Theorien aufstellen; Erinnerungen und Gegenerinnerungen, heimliche Einflüsterungen und offene Streitigkeiten hinderten ein gemeinsames und nachhaltiges Wirken.
Schon 1777 ging aus zahlreichen Vorschlägen und Gegenvorschlägen, nicht ohne Rücksicht auf die durch die Finanznot des Staates gebotene Sparsamkeit, eine neue Unterrichtsordnung für die Lyceen und Gymnasien hervor. Ehe dieselbe jedoch praktische Bedeutung gewinnen konnte, starb der wackere Fürst, welcher, wenn auch ohne grosse Tatkraft, doch das Gute gewollt und gefördert hatte.
So lagen in Bayern die Dinge, als an die Stelle Max Josephs III., mit dem die ältere Linie des Wittelsbach’schen Hauses ausstarb, der Kurfürst von der Pfalz und Herzog in Jülich und Berg Karl Theodor trat. Der überlieferte Zustand war erschüttert, die Stagnation einer heilsamen Gärung gewichen, aber mit nichten ein neuer Geist schon zum Durchbruch gekommen. Ihm zum Siege zu verhelfen, bedurfte es eines Herrschers, der klaren Blickes und festen Sinnes einen langen und schweren Kampf gegen Trägheit, Dummheit und Aberglauben nicht scheute. War Max Josephs Erbe dieser Mann?
Schon seit dem Jahre 1742 hatte Karl Theodor bei seinem Regierungsantritt, 26 Jahre alt, am Rhein mit dem Ruhm eines aufgeklärten, Kunst und Wissenschaft liebenden Fürsten gewaltet. In Mannheim hatte er eine Akademie der Wissenschaft gegründet, Bibliotheken und Kunstschätze in der Pfalz wie in Düsseldorf vermehrt und mit Vorliebe das deutsche Schauspiel gepflegt. Bekannt ist, dass bei der Einrichtung des Mannheimer Theaters die Ratschläge keines Geringeren als Lessing in Anspruch genommen wurden, und dass Schillers erste Dramen unter den Auspizien des Kurfürsten zur Aufführung gelangten.
Freilich zeigte Karl Theodors Regiment auch in der Pfalz schon neben äusserlichem Glanz bedenkliche Schattenseiten. Weiber und Priester übten früh bösen Einfluss. Eine Kamarilla von Jesuiten, Favoritinnen und natürlichen Kindern schränkte die liberalen Neigungen immer mehr ein und liess Schlimmeres für die Zukunft fürchten. Hätte die wackere Pfälzerin Elisabeth Charlotte von Orleans bis in die zweite Hälfte des vorigen Jahrhunderts gelebt, so würde sie von Karl Theodor vielleicht dasselbe gesagt haben, wie sie einmal über dessen Vorgänger Karl Philipp in einem Brief geäussert hatte: „Hätt’ mein Leben nicht gedacht, dass Kurpfalz sich den Pfaffen so unterwerfen würde; hat ja vor saisonabel passiert, nur sich durch Pfaffen regieren lassen. ist gar nicht raisonabel.“
Allerdings sagt auch schon dieselbe Elisabeth Charlotte: „Leute, die in ihrer Jugend nicht gar ordentlich gelebt haben und alt werden, denen machen die Pfaffen die Hölle heiss“, aber sich die Hölle heiss machen zu lassen, liebte Karl Theodor nicht. Er liebte das Leben zu geniessen, und wer bestimmenden Einfluss über ihn gewinnen wollte, musste den sinnlichen Neigungen Rechnung tragen. Der jesuitische Beichtvater Frank steht in dem Rufe, dass er es verstanden, durch fromme und kluge Beredsamkeit etwaige Gewissensskrupel seines Herrn zu besänftigen und nicht minder ihm sich dadurch teuer zu machen, dass er die zärtliche Fürsorge des Fürsten für seine natürlichen Kinder – eheliche hatte er nicht – hegte und stützte. War aber P. Frank schon den Pfälzern ein Anstoss, so sollte er den Bayern ein Gegenstand des Schreckens und des Abscheues werden.
Doch nicht sogleich nach seiner Ankunft in München enthüllte Karl Theodor die schlimmen Seiten seines Regiments. Zwar musste es die patriotischen Kreise schmerzlich berühren, dass der neue Landesherr so sehr bereit war, mit einem grossen Teile des ihm zugefallenen Staates die Vergrösserungssucht des östlichen Nachbars zu befriedigen, *) und wer auf gute Sitte hielt, konnte nur mit Bedauern die strengere und verständige Richtung, die Max Josef so würdig vertreten hatte, vermissen. Aber in manchen Beziehungen zeigte die neue Regierung offenbar Sinn für das Gute. So gab sich aufrichtige Sorge für die Volkswohlfahrt in verschiedenen wirtschaftlichen Massregeln kund.
*) Karl Theodor trat drei Tage nach seinem Regierungsantritt am 3. Januar 1778 den größten Teil Altbayerns an Österreich ab. 14 Tage danach wurde ganz Niederbayern, ein Teil der Oberpfalz, von österreichischen Truppen besetzt.
Auch für künstlerische und wissenschaftliche Bildung legte Karl Theodor insofern Interesse an den Tag, als er die Kunstschätze Münchens und die kurfürstliche Bibliothek vermehrte.
Sogar das Volksschulwesen schien unter dem neuen Regiment kräftig gedeihen zu sollen. In einer der Oberlandesregierung gegebenen Instruktion wird die gute Erziehung der Jugend und die Einrichtung tüchtiger, mit geschickten Lehrern versehenen Schulen als ein Gegenstand bezeichnet, der dem Landesvater vorzüglich am Herzen liege, wie denn auch die Glückseligkeit des ganzen Staates darauf grösstenteils ruhe.
Diese gesunde Auffassung kommt auch später noch wiederholt zum Ausdruck, „da Seine kurfürstliche Durchlaucht“, heisst es in dem Reskript vom I5. Dezember 1779, „mittlerweile nicht nur von dem elenden Zustande, worin das Schulwesen sich durchaus, insonderheit aber auf dem Lande verhält, sondern auch von dem Übel sich überzeugt habe, welches aus dessen Versäumnis bisher entstanden und zum äussersten Nachteil der gemeinen Sicherheit immer mehr zuzunehmen scheine, so wird befohlen, nicht nur auf die Errichtung von genügenden Schulen und Schullehrer-Seminarien, sondern auch auf die Bildung eines ausreichenden Schulfonds ernstlich Bedacht zu nehmen“. In letzterer Beziehung wird es überraschen, zu vernehmen, dass eine kurfürstliche Verordnung in erfreulichem Gegensatz gegen die damals wie später herrschenden Anschauungen und Gewohnheiten für einen Volksschullehrer kein geringeres Jahreseinkommen als 300 Gulden in Aussicht nimmt. Es schien also nicht allein jene Schulordnung, die Heinrich Braun noch in den letzten Tagen Max Josephs für die niederen Schulen neu bearbeitet hatte und die von Karl Theodor im Jahre 1778 sanktioniert wurde, jetzt wirklich ins Leben eingeführt werden zu sollen, sondern es stand zu hoffen, dass weitere zukunftsreiche Reformen auf diesem wichtigen Gebiete folgen würden.
Nicht minder wird, angesichts des mönchischen Charakters, den die Regierung des Kurfürsten später so grell als möglich kennzeichnet, die Tatsache Verwunderung erregen, dass Karl Theodor in den ersten Jahren sogar einen Anlauf nahm, abergläubische Bräuche durch Polizeimassregeln abzustellen und gottesdienstliche Handlungen, insbesondere die öffentlichen Prozessionen, von jenen ungeheuerlichen Zutaten zu reinigen, welche Denkenden schon lange nur zum Ärgernis oder zum Gespött gedient haben. So wurde der in Oberbayern allgemein herrschende Unfug des Wetterläutens und Wetterschiessens mit Strafen bedroht, der sogenannte Palmesel von den Strassen verscheucht und die Fronleichnamsprozession, die unter den Händen der Jesuiten zu einer so abgeschmackten Maskerade ausgeartet war, dass sie selbst nach der Meinung des geistlichen Rats der Würde und Heiligkeit der Religion offen Hohn sprach, wenigstens von den anstössigsten Mummereien gesäubert, indem man die phantastisch zugestutzten Reiterscharen, die Triumphwagen und Tragbahren mit lebenden Bildern, die siebenköpfigen Drachen usw. preisgab. Dazu stimmt es, dass die Regierung auch jener verderblichen Flut von Mönchsschriften, die unter dem Titel von Andachtsbüchern dem krassesten Aber- und Wunderglauben dienten, Einhalt zu tun sich anschickte.
Nur schade, dass derartige Bestrebungen nicht die Konsequenzen eines festen Regierungssystems, sondern zufällige Nachwirkungen der unter Max Joseph eingeschlagenen Richtung waren, und dass um dieselbe Zeit, da man einer vernünftigen Aufklärung noch das eine und andere Zugeständnis machte, Dinge geschehen, die einen vollständigen Bruch mit jener Richtung ankündigten und die bis dahin ausgestreuten Keime einer besseren Geisteskultur geradezu mit Vernichtung bedrohten.
Wer sollte es für möglich halten, dass die ehemaligen Jesuitengüter, auf welchen der Bestand der Gymnasien und Lyceen beruhte, lediglich im Interesse der bequemen Versorgung von Günstlingen, vor allem der natürlichen Kinder des Kurfürsten, zur Datierung einer neugegründeten Zunge des Maltheser Ordens verwendet, die mittleren Studienanstalten aber den Klostergeistlichen, unter Obhut der Prälaten des Landes, übergeben wurden? Wohl war ein so verderblicher Vorschlag auch in Max Josephs Tagen schon zur Sprache gekommen, aber sofort auf das lebhafteste bekämpft worden, indem man mit schlagenden Gründen geltend machte, dass nie und nimmer zur Erziehung künftiger Staatsdiener die Mönche brauchbar seien. Jetzt hörte man darauf nicht, und schon im Jahre 1779 wurde die verhängnisvolle Massregel getroffen, welche die Arbeit eines Menschenalters vernichtete.
Wo solche Tendenzen zum Durchbruch kamen, hoben selbstverständlich jene finsteren Mächte, welche sich nur grollend eine kurze Zeitlang dem Willen des Staates gebeugt hatten, von neuem und kecker als je ihr Haupt.
Die Exjesuiten stritten mit den Kapuzinern, Franziskanern und den Scharen anderer- Mönche um die Herrschaft; nur in der Verfolgung denkender Männer und bei der Jagd auf verdächtige Bücher boten sie traulich sich die Hand. Und wie viel sie am Hofe selbst gegenüber den besten Männern vermochten, hatte unter anderen der weit über Bayern hinaus geachtete Dichter Zaubser zu empfinden. Gegen die Inquisition, deren Einführung fanatische Mönche zu fordern wagten, hatte Zaubser eine mit Beifall aufgenommene „Ode“ veröffentlicht, und zwar mit Genehmigung der kurfürstlichen Zensurbehörde.
Dem Zensurkollegium ging deshalb nebst einem scharfen Verweis der Befehl zu, jene Schrift zu unterdrücken. Dem Verfasser aber, welcher die Stelle eines Hofkriegsratssekretärs bekleidete, wurde aufgegeben, „bei gesessenem Pleno sein christ-katholisches Glaubensbekenntnis abzulegen, wonach ihm einzuschärfen, dass er in Zukunft bei Vermeidung anderweiten schweren Einsehens indem religions- und theologischen Fache heimlich oder öffentlich zu schreiben, sich um so weniger unterfangen solle, als er weder den Beruf, noch aus Mangel der erforderlichen Wissenschaft und Prudenz die geringste Anlage dafür habe“, – „wie denn auch heute dem Hofkriegsratsdirektorio der Auftrag beschehen ist, erwähnten Secretarium Zaubser mit der Kanzleiarbeit so weit zu beschäftigten, damit ihm zu theologischen und anderen ausschweifenden Schreibereien keine Zeit übrig bleibe.“ So geschehen München, am 11. Oktober 1780.
Um diese Zeit war es, wo ein geheimer, anfangs nur in engem Kreise tätiger Orden, durch weltliche und geistliche Mitglieder von einflussreicher Stellung verstärkt, zu einer öffentlichen Macht angewachsen, begann, stark genug, wie man wähnte, dem Heere der Priester und Mönche mit ihrem gesamten Anhang die Spitze zu bieten und einer energischen Aufklärung allen Finsterlingen zum Trotz zu einem vollständigen Siege zu verhelfen. Ich meine den Geheimbund der llluminaten, der auch nach seinem Sturze noch Jahre lang die Geister in und ausserhalb Bayerns teils in Liebe, teils in Hass beschäftigte und selbst in der Literatur der Gegenwart die widersprechendsten Urteile über sich ergehen lassen musste.
Nicht minder als Geist und Tendenz des Ordens gehen die Ansichten über den Stifter Adam Weishaupt auseinander. Von den einen als ein begeisterter Apostel der Aufklärung und Humanität gefeiert, gilt er den anderen als Heuchler und Bösewicht. Wir wollen versuchen, ihn an der Hand der Geschichte, zunächst seiner eigenen Geschichte, kennen und würdigen zu lernen.“
Der komplette Text ist frei verfügbar unter:
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